Mutter umgeht Tochterfirma: Ab ins US-Gericht
22. März 2023
Einfache Risikovermeidungstipps vermeiden die Alter Ego-Haftung
CK - Washington. Wer den Markteintritt in den USA sorgfältig plant, richtet meist eine amerikanische Gesellschaft als Puffer zwischen den Haftungsrisiken USA und der Muttergesellschaft ein. Das ist weder schwer noch teuer, und fast immer ist es eine gute Idee. Doch Vorsicht: Die Mutter kann trotzdem vor dem US-Gericht landen und für die Haftung der Tochter gerade stehen. Dabei lassen sich diese beiden Risiken vermeiden:
1. In den USA tritt nur die Tochter auf.Die Hinweise 2 bis 5 werden leicht vergessen. Sie können aber entscheidend sein, wenn die Mutter in den USA mit der Behauptung verklagt wird, sie hafte für die Tochter als ihr Alter Ego.
2. Bei einer Personalunion von Mutter- und Tochterposten, beispielsweise von Geschäftsführer und President oder CEO, keine Unklarheit zulassen.
3. Also kein Briefpapier der Mutter mit US-Kunden.
4. Keine EMailsignatur der Mutter bei Korrespondenz mit US-Kunden oder US-Personal.
5. Keine Konzerndirektiven! Das Board of Directors in den USA muss selbständig handeln, auch wenn seine Mitglieder identisch mit den Äquivalenten der Mutter sind.
6. Die ganz groben Schnitzer vermeiden die meisten gut geführten Unternehmen: Vermischung von Bankkonten und mangelnde Trennung von Finanzen und sonstigen Bereichen.
KI wie Kamera im Urheberrecht
16. März 2023
Überblick: Werkzeuge unerheblich, menschliche Schöpfung entscheidend
Fotos sind Werke menschlichen Schaffens, und KI-Werke können es ebenso sein. Also eignen sie sich als Werke im Sinne des Copyright Act und können schutzfähig sein. Am 16. März 2023 verkündete das Copyright Office in Washington, DC, neue Leitlinien für die Anmeldung von Werken mit KI-Elementen unter dem Titel Copyright Registration Guidance: Works Containing Material Generated by Artificial Intelligence. Regelmäßig muss nicht das technische Mittel zur Schöpfung eines Werkes gemeldet werden, mithin Software genauso wenig wie Tinte oder eine Kamera.
Reine KI-Werke sind nicht schutzfähig, wenn der Mensch hinter der Machine Befehle eingibt, die die Maschine ausführt und die nur der Steuerung, nicht dem Ausdruck schöpferischer Tätigkeit, dienen. Befiehlt der Mensch mal mir ein Bild wie Dali, aber mit Kuh, gestaltet KI das Bild, und der Mensch kann das Ergebnis nicht für sich reklamieren.
Schreibt der Mensch einen Aufsatz um das Bild herum, ist das gesamte Werk schutzfähig, aber der Eintragungsantrag muss das Bild mit einem Disclaimer ausnehmen. Es darf also nach Urheberrecht von jedermann kopiert werden -, aber nicht unbedingt auch nach anderem Recht -, und das Eintragungszertifikat beschränkt sich auf das Gesamtwerk minus Bild.
Eine Art Impressumspflicht ab Juli 2023
14. März 2023
Was sich ändert, ist das Inkrafttreten des schwer auffindbaren INFORM Consumers Act. Er versteckt sich in einem Riesengesetzeswerk vom Jahresende 2022 als Titel 3.
Im Kern schreibt er Onlinehändlern mit einem Umsatz von $20.000 p.a. oder anderen Merkmalen vor, Namen, Anschriften, Steuernummer und Bankverbindungen dem mit ihnen verbundenen Marktplatz, also beispielsweise Newegg für Technikwaren, mitzuteilen. Auch gegenüber Kunden müssen sie den Schleier über ihrer Identität etwas lüften.
Spätestens im Juli sollten Onlinehändler mit einem in zehn Tagen zu beantwortenden Fragenkatalog und Vertragsanpassungen der Marktplätze rechnen, die primär für die Gesetzesumsetzung verantwortlich sind und Onlinehändlern den Hahn abdrehen dürfen. Daneben darf die Federal Trade Commission und jeder Justizminister jeden Staates der USA gegen verletzende Händler und Marktplätze vorgehen - mit OWi-Strafen ab $47.000 je Vorfall und Verbotsverfügungen.
11. März 2023
Marken im Onlinehandel: Massenklagen
11. März 2023
Kleine Onlineshops werden von gierigen Markenanwälten überfallen
CK - Washington. Ein Geschäftsmodell von Massenklägeranwälten greift weiter um sich. Es irritiert unzählige kleine Onlinehändler, die bei globalen Anbietern virtuelle Läden eingerichtet haben und plötzlich nicht nur eine Markenabmahnung, sondern bereits eine Verbotsverfügung eines amerikanischen Gerichts samt Kontensperre für den Onlineshop erhalten. Die Marke selbst mag unbedeutend erscheinen, und der Umsatz mit US-Kunden kann sich auf drei Stück zu 5 Euro belaufen, aber der Schock ist enorm.
Die Gerichtspost wird von einem amerikanischen Anwalt per EMail zugesandt, und sie kann ein Link auf einen Kanzleiserver enthalten, bei dem weitere Gerichtsunterlagen abrufbar sein sollen.
Was macht der sorgfältige Onlinehändler? Er geht dem Vorwurf auf dem Server nach. Was macht der Klägeranwalt: Er sammelt die Daten des Onlineshops und kann damit dem Gericht eine Kenntnisnahme nachweisen, die eine wichtige Formalität* für spätere Vollstreckungsschritte in den USA gegen den Händler darstellen.
Bei diesem Geschäftsmodell werden in der Regel einige Riesen verklagt, und neben ihnen eine solch lange Liste von bei ihnen registrierten Onlinehändlern, dass die Liste dieser Beklagten nur als Anhang in Verfügungen erscheint: 150 Händler in China, drei in Deutschland, 50 bei Amazon, 30 bei Etsy, 200 bei Alibaba usw.
Die Klägeranwälte scheinen Proteste der kleinen Händler bei den großen Anbietern auslösen zu wollen, damit diese der Klägerseite schließlich Geld in den Rachen werfen, damit Ruhe ist. Der Ausgang anderer Verfahren zeigt, dass urplötzlich die Klagen gegen alle oder einen Teil der Kleinhändler zurückgenommen wird, nachdem zuerst eine Rücknahme gegen den einen oder anderen Großanbieter in der Gerichtsakte auftaucht. Der zugrundeliegende Vergleich mit den Großen bleibt in der Regel geheim.
Die Klägeranwälte wissen natürlich, dass die Abwehr einer Markenklage teuer ist: Im Anfangsstadium erst sechsstellig, und nach einem vollständigen Prozess vor Bundesgerichten auch oft siebenstellig. Viel Druck brauchen sie nicht zu machen, denn er ist systemimmanent. Vor allem die kleinen Onlinehändler können sich nicht wehren, aber auch die großen Anbieter lassen sich schnell des lieben Frieden willens schröpfen.
Was kann der kleine Händler im Ausland tun, und was sollte er nicht? Wenn keine förmliche Zustellung einer Klage nach der Haager Übereinkunft ins Ausland erfolgt, sondern nur eine EMailbenachrichtigung, dann ist die Bestätigung der Kenntnisnahme zu vermeiden. Nach der förmlichen Zustellung kann in weiter Zukunft irgendwann eine Vollstreckung eines amerikanischen Urteils zulässig werden, nach der Bestätigung der Kenntnisnahme einer EMailmail mit Prozessverfügungen aber schon sofort und zwar die Vollstreckung in den USA, wenn das Gericht die Bestätigung als prozesswirksam beurteilt.
Deshalb sollte der ausländische Shopinhaber das Verfahren beobachten, aber nicht bei der Klägerkanzlei Prozessakten suchen, wo der Besuch der Kanzleiseite prozessbedeutsame Rechtsfolgen auslöst. Er sollte auf keinen Fall die Klägerkanzlei kontaktieren, weil dies ebenfalls eine Bestätigung der Kenntnisnahme bedeutet. Die Klägerkanzlei freut sich über den Hinweis, dass nur drei Stück zu 5 Euro verkauft wurden: Damit wird die Markenverletzung eingestanden, und eine Strafschadensersatzforderung mit viel höheren gesetzlichen Beträgen erhält eine wasserdichte Grundlage. Unter Umständen lohnt sich damit auch die teure und umständliche zusätzliche Zustellung im Ausland, die die Kläger anfangs vermeiden, und dann kann ein Urteil auch im Ausland vollstreckt werden.
* Kochinke/Horlick, Auslandszustellungen nach US-amerikanischem Bundesrecht, 28 RIW 162 (Feb. 1982).
German American Law Journal - 20 Jahre Blog
01. März 2023
CK - Washington. 20 Jahre dauerte es, bis das Journal 2003 als Blog erschien. Zuerst wurde es mit der Desktop-Publishing-Technik im Geoworks Ensemble-Format auf Ur-Rechnern für die German American Law Association, eine lockere Gruppe von an transatlantischen Rechtsfragen interessierten Juristen in Washington, DC, aus Kanzleien, Gerichten, Ministerien, Botschaften, internationalen Organisationen und den Parlamenten, hergestellt.
Später wurde es einige Jahre professionell gedruckt, und bald verwandelte es sich zum Webseitenangebot im Internet. Dort befand es sich schon vor dem Entstehen des WWW-HTML-Webformats im Gopher-Dienst. Den treuen Lesern sei Dank!
$2,77 Mio. Strafe wegen unvorsichtiger EMail
27. Febr. 2023
CK - Washington. Gleich ob man Lizenzen beim Außenministerium für die Ausfuhr oder Wiederausfuhr amerikanischer Panzertechnik oder beim Wirtschaftsministerium für Softwarewartung und -support für Nordstream beschafft, es erschüttert immer wieder, wie unvorsichtig manche Unternehmen bei der Ausfuhr sind - oder vielleicht nicht einmal verstehen, was eine Ausfuhr darstellt. Ein Ordnungsgeld von $2,77 Mio. wegen per EMail versandter technischer Daten nach China und Deutschland sollte sie wachrütteln.
Die Bestrafung im Fall In the Matter of 3D Systems Corporation beruht im Wesentlichen auf dem Versand per EMail von technischen Daten wie Bauplänen nach China. Außerdem verfolgt das Wirtschaftsministerium im Verbund mit dem für Kriegsmaterial nach ITAR-Regeln zuständigen Außenministerium den Versand von Daten nach Deutschland. In beiden Ländern betrieb das Unternehmen Außenstellen mit Personal und Infrastruktur, um beispielsweise vor Ort Angebote zu erstellen und Verträge zu schließen.
Die Verfolgung erfolgte nicht wegen Landesverrats oder der Offenlegung von Staatsgeheimnissen, sondern allein wegen der Gefährdungen, die diese Ausfuhren auslösen. Genehmigungspflichtig sind nicht nur Geräte, sondern auch Beratung, Support und Dokumente. Technical Data erfassen beispielsweise auch die Kundgabe von genehmigungspflichtigen Informationen auf Konferenzen oder Lehrveranstaltungen.
Solange amerikanische Komponenten in Geräten oder auch Technical Data enthalten sind, ist auch die Ausfuhr aus Deutschland genehmigungspflichtig. Dasselbe gilt für die Offenlegung von Technical Data innerhalb der USA. Das deutsche Unternehmen, das auf einer Konferenz über genehmigungspflichtige Informationen sprechen will und diese zum Teil mit einer Genehmigung erhalten hat, darf das unter Umständen genauso wenig wie auf einer Konferenz in Europa.
Sind Indianer klüger als Neo-Amis: Vertragsrecht
26. Febr. 2023
Vertragsrecht sui generis mit den wirtschaftlich bedeutsamen Indianerstämmen
CK - Washington. Verträge mit Indianerstämmen bedeuten für Anbieter von Waren und Dienstleistungen oft besondere, unerwartete Risiken und Vorteile. Manchmal ähnelt das Gros der auf Verträge anwendbaren Rechtsordnungen dem Recht eines benachbarten Einzelstaates, manchmal wird es vom Bundesvergaberecht überlagert. Meist bewirkt jedoch die Souveränität eines Stammes Besonderheiten.
Ein vollständiger Überblick für alle Stämme ist unmöglich, denn die meist Nations genannten schalten ihr Recht genauso wenig gleich wie die Einzelstaaten der USA. Grundsätzlich ist jeder Stamm ein Souverän, der sein Recht und seine Institutionen selbst gestaltet. Gemeinsam ist ihnen, dass regelmäßig bei Verträgen ihr Stammesrecht als anwendbares Recht vereinbart werden soll, damit ein Vertrag auch gegen den Stamm durchsetzbar und vollstreckbar werden kann.
Gemeinsam ist ihnen häufig auch, dass im Vertrag die Souveränität und damit die Haftungsimmunität der Nation erklärt werden soll. Ihnen ist der Lieferant unterworfen. Das Recht mehrerer Stämme kennt Immunitätsschranken, die entweder stammesgesetzlich gelten oder verhandelt werden müssen. Solch ein Limited Waiver of Sovereign Immunity kann die vorherige Erlaubnis des Vertragsschlusses durch die Stammesverwaltung erfordern. Im Rahmen der Vertragsplanung ist dafür Zeit einzukalkulieren.
Nach dieser Hürde sind weitere Stöckchen zu überspringen. Unterliegt die Vertragsdurchsetzung einer nach Stammesrecht geregelten Haftungsbegrenzung auf den versicherten Wert? Weisen die Stammesämter die Versicherungsdeckung nach, oder wird die Deckung bei Vertragsverhandlungen lediglich behauptet? Fließen kraft Gesetzes Traditionen in den Vertrag ein? Welche ungewöhnlichen Haftungsausschlüsse gelten? Sind die Verhandlungsführer eines Stammesunternehmens vertretungsberechtigt? Handeln sie amtshaftungsbeschränkt de iure imperii oder wie Private de iure gestionis?
Interessanterweise verbieten Stämme oft den Strafschadensersatz, punitive Damages. Manchmal schließen sie auch die bundesrechtliche Garantie des Prozesses vor Geschworenen aus und verweisen auf Stammesgerichte, -schiedsforen oder -versammlungen. Hut ab - oft sind diese Regeln sehr vernünftig. Aber insgesamt gilt auch bei ihnen wie überhaupt in den USA angesichts der enormen Kosten von Prozessen: Augen auf und Vorkasse vereinbaren!